CBE-KulturTermin: Alessandra Pace (Kuratorin), Rundgang Ausstellung „Mirror Images“, Dialog mit Jeannot Simmen, Berliner Medizinhistorsiches Museum der Charité, 2. März 2016
Themen-Ausstellungen sind eine Königsdisziplin und eine Herausforderung für Kurator_innen. Das Thema muss klar durchdrungen, strukturiert und fokussiert sein auf die möglichen Ausstellungs-Objekte. Diese bilden durch visuelle Präsenz ein Plus, was mit Worten nicht erklärbar ist.
Die Anordnung im Raum muss bündeln und Abläufe schaffen und das alles ohne Zeigfinger-Pädagogik. Ästhetische Filiationen bilden wuchernd-offene Systeme mit vielen Relationen.
„Mirror Images“: Die Ausstellung sammelt Spiegel-Irritationen. Aufgezeigt wird mit den Spiegel-(Bildern), unser tägliches Erstaunen bei habituellen Handlungen, was zu Ausfällen und Störungen führen kann. Solche Falsifikation interessiert Künstler. – In der Ausstellung werden Projekte präsentiert, wo der Besucher gefilmt und ‘gespiegelt’ wieder gegeben wird. Das führt zu Überraschungen bei den Besuchern, die mit ihrem ‘seitenverkehrten’ Abbild konfrontiert werden.
Die Ausstellung schafft Aneinander-Reihungen von dargestellten Sinnes-Irritationen in einem lose verbundenen Parcours, teils auch mit medizinhistorischen Objekten.
Jeannot Simmen
Fotos: Eleonora Frolov

CBE KulturTermin: Bröhan-Museum, Rundgang mit Dr. Tobias Hoffmann, Direktor, Ausstellung Zeiten-Wende. Von der Berliner Secession zur Novembergruppe, Empfang Dr. Margrit Bröhan, 11. Febr. 2016
Berlin 1898-1919 ein Pulverfass: Für die Bildende Kunst ein schneller Wechsel vom Impressionismus über Expressionismus, Kubismus und Futurismus zur Neuen Sachlichkeit und zum Konstruktivismus. – Das Bröhan-Museum dokumentiert diesen Prozess mit rund 250 Werken, darunter kostbare Leihgaben aus Museen, Privatsammlungen und aus dem Sammlungsbestand.

Souverän begleitet uns kenntnisreich der neue Museumsdirektor Dr. Tobias Hoffmann durch diese ambitionierte Ausstellung. Künstler-Manifeste und Sezessionen prägen den Zeitraum. – Wundervolle, beinah vergessene Werke von vielen Künstlern sind zu entdecken. Viele geprägt von den politischen Unruhen des Ersten Weltkrieges und der Entledigung von Kaiser und Adel, Schwulst und falschem Gepränge.
Kubismus und Futurismus um 1918, der Verlust vom Natur-Vorbild … Farben und Formen werden vorrangig in der künstlerischen Komposition. –Die nächste große Ausstellung, die Kunst der Weimarer Zeit, ist geplant.
Ein Dankeschön geht an Frau Bröhan für Ihre Geschichte vom Bröhan Museum und der Einladung zum Umtrunk, Labsal köstlicher Getränke zum Abschluss vom Rundgang.
Jeannot Simmen
Fotos: Frauke Bergemann / J.S.

CBE-Lunch im Kaisersaal - Prof. Harald Welzer: „Flüchtlinge. Die Offene Gesellschaft, mit Diskussion, 27. Januar. 2016
Der 1. Lunch 2016 war grossartig: exzellenter Redner mit einem so engagierten wie interessanten Thema. 70 Gäste kamen, da lobe ich mir unsere Mitglieder und sag’ ein Dankeschön.
Der Sozialpsychologe, Prof. Dr. Harald Welzer, zur Flüchtlingsfrage in Deutschland
Frau Simone Schmidt schrieb über unsere Veranstaltung einen informativen Bericht:
Was wir derzeit in der Flüchtlingsproblematik erleben, ist nach Ansicht des Sozialpsychologen Harald Welzer dauerhaft. Es handelt sich um einen Gestaltwandel politischer Figuration, d.h. die Flüchtlingszahlen werden auch zukünftig weiter steigen. Die Gründe dafür liegen an den Kriegen, in den Landnahmen, am Landraub und am Klimawandel. Wir müssen deshalb unsere Haltung zu dieser Problematik ändern, weil diese globalen Zustände auf Dauer auch unsere Gesellschaft verändern wird. Was die Verteilung der Flüchtlinge weltweit anbelangt, werden derzeit 86% der Flüchtlinge in armen Ländern aufgenommen und nur 14% in den reichen Ländern. Die deutsche Debatte … Mehr von Simone Schmidt: Siehe Ihre Webseiten: www.gesellschaftsinstitut.de
Dank geht auch an Jan Sobottka für seine Photo-Aufnahmen.
J. Simmen

CBE-KulturTermin: „Jakob Böhme, Mystiker und Visionär“, Filmische Hommage von Ronald Steckel, Diskussion mit dem Filmemacher im Bundesplatz-Kino, 1. Januar. 2016
Der Mystiker und Visionär Jacob Böhme (1575-1624) ist eine so geheimnisvolle wie wirkungsreiche Figur in der deutschen Geistesgeschichte. Sein philosophisches Werk ist der grosse Entwurf einer Naturphilosophie und christlichen Theosophie: Radikaler Bruch mit kirchlicher Autorität. Die Erkenntnis- und Willensfreiheit des Menschen wird in den Mittelpunkt gestellt.
Ronald Steckel realisierte diesen Film 2015 gemeinsam mit Max Hopp, Jan Korthäuer und Klaus Weingarten. Die Bilder und Erzählungen sind ohne grosses Brimborium. Das Denken des „Philosophus Teutonicus“ wird dadurch intensiv, geradezu sinnlich erlebbar.
In der Diskussion mit Ronald Steckel erfahren wir viele Details aus dem nicht leichten Leben des „ersten deutschen Philosophen“ (Hegel). Er wurde von der geistlichen Obrigkeit der Stadt Görlitz der Ketzerei angeklagt und erhielt Schreibverbot. Für Schelling war Jacob Böhme eine “Wundererscheinung in der Geschichte der Menschheit und besonders in der Geschichte des deutschen Geistes“.
Jeannot Simmen
(Aufnahmen: Copyright Ronald Steckel)

CBE-Lunch mit Prof. Dr. Horst Bredekamp: „Die Berliner Kunstkammer, die Akademie der Wissenschaften und die Idee des Weltmuseums. Neue Quellen“, Kaisersaal am Potsdamer Platz, 11. Dez. 2015
Grosses Interesse, viele Gäste beim Lunch mit dem bekannten Kunstwissenschaftler Prof. Dr. Horst Bredekamp von der Humboldt-Universität, der Co-Intendant vom Berliner Schloss / Humboldtforum. 2015 erhielt er die höchste Auszeichnung, wurde in den „Orden Pour le Mérite“ aufgenommen.
Auf meine Bitte um einen Bericht erreichten mich drei Schreiben von befreundeter Seite – ich freue mich über die wunderbaren Autor/innen: Frau Alina Maria Schütte (Malerin), Dr. Dirko Thomsen (VW-Universität Wolfsburg) und Prof. Adam Jankowski, Malerei Hamburg/Berlin
Danke sagt Jeannot Simmen (Aufnahmen: J.S.)
Adam Jankowski
Gegen elf zum Potsdamer Platz zu einem Club-Lunch, der im Rahmen des “Club Bel Etage” ausgerichtet wird. Dieser Salon von Jeannot Simmen funktioniert wie ein Rotary-Club: Heute gibt als Lunch-Gastredner der Kunsthistoriker Horst Bredekamp einen Vortrag über die Zukunft des in Einrichtung befindlichen Humboldt-Forums zum Besten. Horst Bredekamp kenne ich seit meiner Studentenzeit, er war einer meiner Professoren, als ich Ende der 1970er Jahre am Hamburger Kunsthistorischen Institut studierte und gleichzeitig an der Hamburger Kunsthochschule “Lerchenfeld” meine Ausbildung als Maler erhielt. Ich weiss also, dass ein Vortrag von exzellenter Qualität zu erwarten ist.
Das Lokal “Kaisersaal” versteckt sich im Areal des grossen “Sony-Center” und bietet mit seiner altmodischen Architektur einen amüsanten Kontrast zu den dominierenden modernistischen Gebäuden rundherum. Das Innere des Lokals bildet ein stillvolles, leicht verstaubt-aristokratisch anmutendes Ambiente: genau richtig für ein angenehmes Clubmeeting.
Im Publikum erblicke ich als Repräsentanten der Berliner Prominenz Bazon Brock, Lea Rosh und den rührigen Kunstanwalt Peter Raue. Obwohl ich zum ersten Mal hier zu Besuch bin, werde ich gleich am Eingang von verschiedenen Gästen angesprochen, freundlich gegrüßt und schliesse Bekanntschaft mit Personen, die ich bisher nicht kannte. Auch Hausherr Jeannot Simmen kommt auf mich zu und begrüsst mich herzlich, als wenn wir alte Freunde wären, dann geht es schon ein Stock höher, wo in einem grossen, weissen Saal die Esstische aufgebaut sind. Die Tischordnung beschert mir einen guten Platz und so unterhalte ich mich beim Essen launig mit den Damen und Herren in meiner Nachbarschaft.
Nach dem Hauptgang referiert Horst Bredekamp in einem präzisen Vortrag die entscheidenden Überlegungen zur Einrichtung des Humboldt-Forums, das demnächst in der merkwürdigen Rekonstruktion des Hohenzollernschlosses seine Pforten eröffnen wird. Interessant für mich die Information, dass die Berliner Universität nach ihrer Gründung zu Beginn des 19ten Jahrhunderts exquisite Sammlungen aus den Bereichen Mineralien, Zoologika und Ethnografika unter ihrem Dach versammelte, die schon bald auch um eine wichtige Sammlung der Malerei erweitert wurden; die wissenschaftliche Universität fungierte also zum Zeitpunkt ihrer Gründung wie ein Universalmuseum. Nach der Nachspeise und Kaffee mache ich mich gut gelaunt auf die Rückfahrt nach Wedding in mein Atelier; es ist bereits gut nach drei.
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Dirko Thomsen
Warum Bredekamps Konzept mich begeistert! – Der Umgang mit den Kulturen der Völker im Humboldt Forum ist immer eine delikate Sache, muss aber gerade in Berlin zugleich mit Furor und Finesse betrieben werden: Furor, um mit allen imperiale Traditionen zu brechen, und zugleich Taktgefühl, um die positiven Fäden im deutschen Zivilisationsgewebe aufzunehmen und fortzuspinnen. Das gelingt Bredekamp.
Den passenden historischen Faden hat er im „Plusquamperfekt“ der preußischen Sammlungsgesichte gefunden (so verbünden sich Großväter gerne mit den Enkeln gegen die Autorität der Väter): Es ist die deutsche Bildungsgeschichte, die noch nicht kausal auf die koloniale oder nationalsozialistische Vergangenheit hingeordnet ist.
Sachlich erzählt Bredekamp die Berliner Geistesgeschichte von ca.1700 bis 1850 – als Preußen noch eine europäische Randerscheinung war, zwar vom makedonischen Typus des dünn zivilisierten Militärstaats, aber geistig offener als die Imperien bildenden Nationalstaaten mit ihrem Anspruch auf Suprematie, undurchdringliche Grenzen und innerer Homogenität.
Den gegensinnigen Geist der Neugier und bürgerlichen Gleichheit der Kulturen repräsentierte damals (noch) Preußen. Bredekamp hat das in bildhafter Schilderung dargelegt: von Leibniz´ allseitiger Reflexion der Objekte in der Wunderkammer über Humboldts fächerverbindendes Ausstellungsideal bis zur spät erfolgenden Spezialisierung der Fachmuseen.
Hier wuchs das Bewusstsein für die geistige Einheit und Vielfallt der Welt, für „Weltkunst“, „Weltliteratur“ oder „Weltsprachen“. Solche Neologismen mit „Welt-„ sind damals wie heute eine durchaus sympathische Obsessionen der bildungsverrückten Deutschen.
So hat Bredekamp mit „revolutionärem“ Plusquamperfekt die kulturelle Vorgeschichte in die nationalen Nachgeschichte Deutschlands miteinander verbunden und eine Wendung von der Insellage Berlins zu den Weltkulturen erreicht. Sogar das angehängte Berliner Stadtmuseum erhält eine tragende Rolle im Museum der Weltkulturen.
Bredekamp ist auf die Raubkunst- und die Kolonialismusdebatte nicht explicit eingegangen. Er tut gut daran, lieber die ästhetische Attraktivität der modernen, multizentrischen Welt und ihrer Sammlungskonzepte zu schildern und sich nicht in den dunklen, geschlossenen moralisch Kosmos deutscher Geschichte zu begeben. Das deutsche Bedürfnis moralischer Eindeutigkeit war eben meist ein Sonderweg.
Seit dem 17. Jh. ist die Welt moralisch und physikalisch unbegrenzt, mehrdeutig und multizentrisch geworden. Bredekamp nutzt das für eine faszinierende Kombinatorik von Sammlungs-, Stadt- und Weltgeschichte, auf einer soliden historischen Grundlage und in weltweit verständlicher Sprache.
Fazit: Mehr kann man nicht verlangen. Und wenn es ein schlechtes Konzept aus dem Plusquamperfekt sein sollte – es wäre nur der Einstig in das Plusquamfutur.
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Alina Maria Schütte
Wenn man das Berliner Schloss/Humboldtforum als ein neu geschliffenes Kleinod betrachtet, so war der Vortrag von Prof. Bredekamp, einer von den wunderbaren Fassettenschliffen, die das Große Vorhaben ausmachen. Vielen Dank.
Anbei ein Foto von meinem Beitrag zu Berliner Schloss-Humboldtforum. Die Plakatedition zum Richtfest.